die Kirche „Christus dem Erlöser“ in Mengersgereuth-Hämmern

Detail Kirchenfenster

Was für ein schönes Detail! Glas, Blei und Mauerputz. Sinnvoll zusammengefügt, bilden viele teilweise farbig-transparente Einzelteile jene neoromanischen Bögen, welche neun Fenster der Mengersgereuther Kirche „Christus dem Erlöser“ im Dienste des Lichts krönend umrahmen.

Im übertragenen Sinne kann man es so deuten: In der Kirche wird es hell, wenn jeder sein Licht leuchten lässt. Meistens müssen wir dazu selber gar kein Licht anzünden. Wir dürfen das Licht Christi einfach durch uns hindurch strahlen lassen. Wie auf dem obigen Bild!

von den anvertrauten Talenten

Vergleich das Himmelreich  mit einem Lande,
aus dem der König musste gehen fort.
So war er nun auf Jahre nicht im Stande,

zu sorgen für den wunderbaren Ort.
Und ließ darum die Knechte vor ihn treten
zu hören auf sein ewigliches Wort:

„Seht meine Schätze liegen. Seid gebeten,
sie treulich mir zu hüten für das Reich.
Hier eins, da zwei, dort fünf Realitäten, 

nehmt alles an euch, ich verreise gleich.“
Und jedermann, betraut mit teuren Sachen, 
ging seinen Wegs und wagte eignen Streich.

Der erste kauft sich einen sichern Nachen
und siedelte an wilder Wasser Strom –
so konnt’ er Wanderern den Fährmann machen.

Der zweite zog zu Mönchen dicht am Dom,
erwarb sich Wissen, Wald und Wälder
und waltet glücklich als ihr Ökonom.

Der dritte aber liebte keine Felder
ihn kümmern weder Haus, noch Hof, noch Gelder.

Und dann? Am Ziel und Ende der Geschichte –
es kehrt zurück der Herr in unsre Welt.
Und sprach. „Heut ist der Tag, an dem ich richte!

Geb Rechenschaft vor mir ein jeder Held.”
Nun zog der wackre Fährmann flugs hervor
das Doppelte von dem erhaltnen Geld.

Und glücklich trat der Ökonom zum Tor –
auch er gab zwiefach wieder vom Besitz
des Herrn, der so kein Münzelein verlor.

Der dritte aber sprach mit blödem Witz:
„Ich habe, Herr, ein Loch im Sand gegraben
und stellte darauf täglich meinen Sitz.

Hier kannst du deine Sachen wiederhaben.”
Der Herr der Welten zürnte diesem Spruch,
doch freuten ihn der beiden ersten Gaben.

Denn Mutige lädt gern er auf Besuch:
„Seid meiner – so wie eurer – Freud willkommen. 
Den Feigling streichen wir aus meinen  Buch!

Wie euch wollt ich ihn zählen zu den Frommen,
hätt‘ er was Besseres sich vorgenommen.“

Markus 12.41-44

Der Meister lehrte sie und sprach zu ihnen
betreffs der Schriftgelehrten: „Seht euch vor!
Die wandeln in der Stadt mit ernsten Minen

und brüsten teure Kleider lang beim Tor.
Gern lassen auf dem Markte sie sich grüßen
und sitzen ständig obenan im Chor.

Ihr Haus oft hatten Witwen einzubüßen –
zugunsten dieser Heuchler des Gebets …
Wie wird einst denen Gott die Suppe süßen?”

Dann setzte sich der Meister gradewegs
dicht bei des Tempels schwerem Gotteskasten,
sieht seine Jünger an und sagte: „Gehts – 

und lauscht euch in den Klang der angefassten
Geldstücke, die man flüchtig wirft hinein,
eh man vom Tempel wird nach Hause hasten.”

Gleich kam ein Reicher, zückte seinen Schein
und eine arme Witwe also balde.
Von fern schlich sie daher und war allein –

sie wohnte draußen auf der Abfallhalde
dicht an dem abgeholzten Zedernwalde.

Mit zitternden, doch reinen feinen Händen
zog aus dem Kleid ein Münzlein sie hervor.
Das, was sie gab, konnt’ niemanden mehr blenden

mit Silberschein und goldnem Louisdor.
Es war auch keine Zahl mehr drauf zu lesen,
kein Wappen nicht zu ahnen. Und das Ohr

vernahm kaum jenen Klang – der leis’ gewesen –
als sie dies Scherflein Gottes Kasten gab. 
Mehr war ihr nicht geblieben von den Spesen,

nachdem der Gatte fand ein frühes Grab.
Doch dieser Witwenmünze kurzes Klingen
gab Takt und Schlussakkord dem ganzen Tag!

Ließ Christus, unseren Erlöser, singen:
„Hört – jene Frau dort legte mehr hinein,
als alle, die von Gottes Kasten gingen

und gaben nur vom Überfluss den Schein.
Sie aber reichte aus, was sie besessen –
und warf sich selber ein – ihr ganzes Sein.

Das kann und will der Himmel nie  vergessen.
Denn in der Ewigkeit gilt andres Messen …

… die Öffnung …

Auf dem Coburger Wochenmarkt bot jemand geschnitzte Kochlöffel feil. Die Löffel haben ein Herz eingearbeitet bekommen. Das führt beim Rühren dazu, dass die Suppe durch das Herzloch strömt – strömen muss. Das Herz ist zwar physisch nicht in der Suppe vorhanden, aber die gesamte Suppe ist durch die anwesende Abwesenheit des Herzförmigen vom Herzen berührt – weil gerührt.

Diese besonderen Löffel erinnern mich an den alten Spruch: ICH BIN EIN LOCH IN SEINER FLÖTE. Solch tiefsinniges Wort soll von Hafiz stammen – einem persischen Dichter, der 400 Jahre vor Goethe gelebt hat – und dem sich der Weimarer Staatsminister gleichsam als geistigem Zwilling verbunden fühlte. Die Überlegung des persischen Freundes unseres Thüringer Haupt-Dichters ist oft interpretiert und auch aus dem historisch rein orientalischen Kulturraum in den später abendländisch christlich verstandenen Bereich eingepflanzt worden.

Vielleicht ist man als Mensch tatsächlich so etwas wie eine besondere Öffnung in einem wunderbaren Musik- bzw. Blasinstrument, durch das der Geist (respektive Atem) Christi strömt und damit seinen Hymnus ertönen lässt. Oder so ähnlich …

Auf jeden Fall, wenn man wieder einmal denkt, man sei zu nichts nütze: Du bist ein Loch in seiner Flöte. Das fehlende Herz in einem Löffel ist ja doch da! Der blaue Himmel wird auf der Erde durch diese Öffnung deutlich sichtbar. Und das Himmels-Herz überträgt sich beim Rühren in die Suppe unseres irdischen Tun und Lassens.

Das alte Vortragekreuz der Kirche zu Gefell

Ein besonderes Artefakt – und heiliges Ding! Das alte Vortragekreuz aus der Kirche St. Nikolaus zu Gefell im ehemaligen Herzogtum Sachsen-Coburg. Die Mischung aus volkstümlicher Schnitzerei (Corpus) und Rokoko-Form (Kreuz) ist einmalig. Solche Objekte lassen sich allerdings zeitlich nicht präzise datieren. Mit der Vermutung „um 1750“ könnte man aber richtig liegen. Sicher hat es eine Weile gebraucht, bis das Rokoko auch in die ländlichen Gebiete des oberfränkischen Herzogtums vorzudringen vermochte. Seine Formen findet man ca. von 1730-1780, vorher war alles symmetrischer – und hinterher auch. Bevor aber der Klassizismus mit seiner an der Antike geschulten Sachlichkeit das eher überschwängliche Barock ins Ewige bändigt und beerben konnte, sprang das vergnügte Rokoko in die Lücke zwischen beiden Epochen. Nun durften alle Formen endlich einmal völlig durcheinander und scheinbar außer Rand und Band geraten. Aber nur scheinbar – denn auch das Rokoko hat sein besonderes Maß. Rokoko kommt vom französischen „Rocaille” (Muschelwerk) und meint die häufig auftretenden Muschel-Ornamente. Der Symmetrie und den geraden Linien gilt nur Verachtung – alles Mögliche und Unmögliche wird zu ineinander gedrehten Wirbeln transformiert, bis das Formprinzip der Meermuschel zum Hauptmotiv geworden ist.

Was ist nun ein Vortragekreuz? Vortragekreuze wurden den Leichenzügen vorangetragen – auch anderen Prozessionen. Als aufgepflanzte Würdezeichen verwandelten sie selbst allerletzte Unorte, bei denen sie platziert werden, in heilige Lokalitäten. Wir sehen an dem Vortragekreuz der Gefeller Kirche, wie Christus in die Unterwelt hinabsteigt. Man sieht es ganz deutlich: Stufe für Stufe – bis der Bodensatz der Hölle erreicht ist, um dort das Heilandswerk komplett zu machen und Adam mit Eva zu erlösen. Sechs sind schon geschafft, vier Stufen gilt es noch zu nehmen. Aber dann geht es auch wieder hinauf – dreizehn Stufen hat die Sternensphäre an deren oberster Spitze der Uralte steht, an jenem imaginären Punkt also, den bereits Jakobs Traum vom Grund der Himmelsleiter aus entdecken durfte, und dem Umberto Eco sein großes Buch über das Foucaultsche Pendel gewidmet hat. Insgesamt sind es also dreiundzwanzig Stufen, genau so viele Buchstaben wie das kabbalistische Alphabet der Hebräer hat. Links zählen wir sechs Sprossen, rechts sind es zehn. Sechzehn und dreiundzwanzig sind genau neununddreißig. Das ist nach mancher Lesart (-6 bis 33) das irdische Lebensalter Jesu. Auch Dietrich Bonhoeffer, dessen Todestag in diesem Jahr auf den Ostersonntag fällt, wurde neununddreißig Jahre alt. Über Zahlen ist viel geschrieben worden und wird es immer viel zu schreiben geben. Man kann die Sprossen natürlich auch einfach als sächsische Rauten weginterpretieren …

Der kleine Korpus des Kreuzes ist auf Untersicht gearbeitet. Von unten gesehen wirkt der Leib des Herrn perspektivisch also nicht verzerrt, wenn er als Segenszeichen hoch oben auf der Stange über die Fluren gehalten und getragen wird. Christus scheint auch nicht zu leiden, sondern er ähnelt einem Badegast, der sich auf der Blumenwiese Asphodeliens ausgestreckt hat – eingedenk Platons guter Lehre davon, wie der Tod kein Ende bereitet, sondern allenfalls das Ziel durchlaufen lässt. Das gibt bis heute sehr zu denken. Ob der Korpus original – wie jetzt zu sehen – so schon immer vorhanden gewesen oder erst später im Austausch einer größeren Figur ersetzt wurde, ist eine andere Frage. Vorstellbar ist etwa auch, dass es ein aus romanischer Zeit stammendes Kreuz gegeben hatte, welches aber vom Zahn der Zeit zerstört wurde. Man hat dann für die kleine Jesusfigur ein neues Kreuz in einer für den Korpus passenden Größe hergestellt – dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend. Die Jesusfigur mutet jedenfalls viel älter an als das Kreuz mit den sächsischen Rauten bzw. kabbalistischen Stufen. Bemerkenswert ist auch die Schwarze Mandorla, die das Haupt des Erlösers umrundet

Früher – ganz früher – war es so, dass man begegnenden Leichenprozessionen ehrfürchtig begegnete. Zum Zeichen dessen stand man still und nahm den Hut ab. Man bekreuzigte sich und sprach ein kurzes Gebet. Man stieg auch aus dem Wagen aus, der Verkehr stoppte – denn Christus, der gerade sieghaft zur Hölle hinabstieg, kam vorbei und das war etwas aus der Ewigkeit schon hier für uns. Heute – so eine von Vielen leider bestätigte Beobachtung – bleiben die Leute im Auto sitzen und drehen auch die Subwoover nicht leiser. Genau in diese Hölle ist Christus hinabgestiegen. Und sein Werk der Erlösung hört nicht auf, auch wenn nur wenige es ernst zu nehmen scheinen …